Schattenwesen von Shino-Tenshi (Sonne und Mond I) ================================================================================ Kapitel 12: Unvergesslicher Traum 3/5 ------------------------------------- Ich machte mich auf dem Weg zu unserem Klassenzimmer. Immer darauf gefasst, dass du jeden Moment vor mir auftauchen könntest und im Zwiespalt, ob ich das wollte oder nicht. Ein nervöses Ziehen erwachte in meinem Bauch, wenn ich an dich dachte und in meinem Kopf deine Stimme erklang, wie du mir meinen Namen lustvoll zu hauchtest.  Energisch schüttelte ich den Kopf, um diese Gedanken aus meinem Kopf zu bekommen. Ich holte den Müsliriegel aus meiner Tasche, um mein Frühstück zu beenden. Dabei achtete ich nicht auf meinen Weg und rannte prompt gegen etwas Weiches, aber Beständiges. Dort war dein Duft, der mich sofort umhüllte und mich erstarren ließ.  Der Riegel entglitt meinen Fingern und ich schluckte hart, als du mich mit deinen Händen schützend an den Oberarmen berührtest. Deine Wärme setzte alles in mir unter Strom und ließ meinen Körper vibrieren. Meine Gedanken rasten und stolperten über ihre eigenen Füße, sodass ich sie kaum fassen oder gar beenden konnte. Das kann nicht wahr sein. Wieso bin ich ausgerechnet in ihn gerannt? Hätte es nicht Timmy oder Mitsumi sein können? Warum war er hier und wieso hielt er mich fest? Das war so lächerlich. Ich... ich will nur noch verschwinden. „Hoppla. Ich wusste gar nicht, dass du mich so sehr vermisst hast, dass du mir schon in die Arme läufst.“ Der amüsierte Unterton in deiner Stimme feuerte den Trotz in meinem Inneren an. Nein, ich werde ihm niemals auch nur die Genugtuung geben, dass er irgendwie einen Einfluss auf mein Leben haben könnte. Dieser Idiot verdient es nicht, dass ich mich länger als nötig mit ihm beschäftige. Der Traum war eine bescheuerte Verirrung und daher sollte ich ihn zusammen mit diesen... Augen... Ich hob meinen Kopf und flog hinauf in diesen sanften, einladenden und unendlichen Himmel, der sich in deinen Augen spiegelte und mir die ultimative Freiheit versprach. All meine Vorsätze und Gedanken blieben schwer auf der Erde unter mir liegen. Ich genoss nur diesen Anblick, deine sanften Arme um mich herum und das selbstgefällige Grinsen auf deinen Lippen. Sofort löste ich mich von dir und trat zur Sicherheit noch einmal einen Schritt zurück, um dich zornig anzufunkeln. Ich ignorierte dabei die angenehme Wärme, die sich zu einer Hitze aufstaute, umso länger ich dich ansah, sondern brach mit einem herablassenden Zischen den Blickkontakt und trat an dir vorbei in den Klassenraum. So ein dummer Spruch hatte keine Antwort verdient und nicht, weil ich den Kloß in meinem Hals spürte und Angst hatte, dass ich außer einem Krächzen nichts herausbrachte, was die Situation nur noch unangenehmer für mich machen würde. Doch dein Blick blieb, und ich entkam dir nicht. Nicht einmal als ich auf meinem Stuhl Platz nahm, denn du saßest immer noch neben mir. Wie in jedem Raum und so kehrte dein Duft mit dem Rutschen des Stuhles zurück. Ich starrte aus dem Fenster umso der Versuchung dich anzusehen zu widerstehen, doch die Wärme, die dennoch hauchzart über meine Haut glitt, hinterließ eine prickelnde Gänsehaut. Eine kurze Berührung an meiner Schulter, die wie ein elektrischer Schlag durch meinen Körper zuckte und mich erschrocken herumriss.  „Hey, du hast dein Frühstück vergessen. Scheinbar hast du ihn fallen gelassen, als du in mich gerannt bist. Und ich will ja nicht, dass du verhungerst.“ Ein schüchternes Lächeln umspielte deine Lippen und du reichtest mir den Müsliriegel, den ich erst irritiert musterte, bevor ich erkannte, dass es wirklich meiner war. Den hatte ich ja gänzlich vergessen. „Danke“, nuschelte ich und nahm ihn entgegen, packte ihn in derselben Bewegung aus, um ihn dann zu essen. Dein Blick blieb, genauso wie das Grinsen und so kam das nervöse Ziehen in meinen Gedärmen zurück. Um dir zu entkommen, wandte ich mich wieder dem Fenster zu. Viel zu lange dauerte es, bevor du verstandest, dass ich mich nicht mehr zu dir umdrehen würde und deine Aufmerksamkeit endlich von mir wich. Erst dann erlaubte ich es mir, mich zu entspannen.  Ich sah aus dem Fenster, auch wenn dort nur eine Wand war und Fenster von einem aktuell leeren Klassenzimmer. Es war besser, als zu dir zu sehen und in deinen Augen zu versinken, die mir in der Nacht so voller Lust begegnet waren. Alleine bei der Erinnerung daran wanderte das Ziehen aus meinem Magen hinunter in meine Lenden und nahm sämtliche Wärme mit.  Verzweifelt versuchte ich mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren, doch alles, was ich dort draußen sah, wirkte langweilig und so blieb deine Wärme und die Erinnerung an deine sinnlichen Berührungen. An diese Hitze, die mich trunken machte und den Kuss.  Entschlossen stopfte ich den letzten Rest von meinem Riegel in meinen Mund. Damit unterbrach ich die Gedanken und schwächte das Zucken in meiner Hose ab. Gerade noch rechtzeitig, denn der Lehrer betrat nun das Klassenzimmer und ich wandte meinen Blick zu der Tafel.  Dein Profil blieb in meinem peripheren Sichtfeld und zog immer wieder meine Aufmerksamkeit auf sich. Jedes Mal lenkte ich sie wieder auf den Lehrer am Pult und versuchte, seinen Worten zu folgen, doch dort war deine Nähe und dein Duft. Der freudig jeden zusammenhängenden Gedanken in meinem Kopf auseinanderriss, um dann mit breiten Grinsen auf dich zu deuten.  Dieser Einladung konnte ich nicht allzu lange widerstehen. Ich sah bei jeder noch so kleinen Bewegung zu dir hinüber. Mein Arm rutschte ohne mein Zutun ein Stück näher zu dir und wenn ich zu lange starrte, nahmst du mich wahr. Ein Lächeln war deine Reaktion auf mein Interesse, doch mehr kam nicht. Du hörtest dem Lehrer zu und ich selbst versuchte es dir gleich zu tun, doch du warst hier. Deine Wärme, dein Duft, deine Bewegungen und deine Stimme, die mir letzte Nacht so viel versprochen hatte und jetzt nur auf dumme Fragen antwortete.  Ich wollte dich noch einmal meinen Namen stöhnen hören. Deine Finger auf meiner nackten Haut spüren und deine Lippen mit meinen versiegeln. STOPP! Schlagartig unterbrach ich meine Gedanken, als ich die Hitze in meinem Körper spürte und der Stoff meiner Hose unangenehm spannte. Das war idiotisch. Ich kannte dich erst seit einem Tag. An sich wusste ich doch gar nichts von dir. Diese Gedanken waren idiotisch und total unberechtigt. Du warst mir lästig und sahst mich nicht. Wie alle anderen. Daran sollte ich denken und nicht an diesen bescheuerten Traum, der nichts zu bedeuten hatte. Immer wieder ermahnte ich mich, dass diese Gedanken falsch waren. Doch siel ließen sich nicht vertreiben, sondern kamen immer wieder munter fröhlich zurück. Aber du akzeptiertest meine vorerst ablehnende Haltung und verhieltest dich in den ersten vier Stunden zumindest ruhig.  „Hast du heute Nachmittag schon was vor?“, sprachst du mich schließlich an, als wir schon unsere Schulsachen für den Raumwechsel packten und um auch in die große Pause zu gehen. Wieso stelltest du mir diese Frage? Was bezwecktest du damit? Hattest du etwa bemerkt, wie ich auf dich reagiere? Doch bevor ich antworten konnte, drang das widerliche süßliche Parfüm von Mitsumi zu mir durch. Ihr Schmuck klimperte leicht, als sie sich auf unseren Tisch lehnte. „Das ist verlorene Liebesmüh, Taiyo. Tsuki hat zwar nie etwas vor außer mit seiner komischen Meersau Gassi zu gehen, aber unternehmen will er auch nie was. Der wird dich nur langweilen. Aber wenn du magst, kannst du dich uns anschließen. Wir wollen ein wenig im Park abhängen.“ Ihre süßliche Stimme wirkte wie triefendes Gift auf mich und ich rechnete schon damit, dass du ihr Angebot annahmst. Doch deine Miene verfinsterte sich und du balltest deine Hände zu Fäusten. Worte kämpften sich in meiner Kehle empor und ich holte gerade Luft, um ihr zu antworten. Sie kannte mich nicht und glaubte dennoch über mein Leben Bescheid zu wissen. Ich hasste es, wie sie mich immer bevormundete, obwohl wir nichts miteinander zu tun hatten. Doch du kamst mir zuvor. „Ich weiß, wer mich langweilen würde, und das ist bestimmt nicht Tsuki. Sondern du Mitsumi und deine Möchtegernclique. Ich will nicht im Park rumhängen und über belanglose Dinge quatschen. Diese Oberflächlichkeit habe ich zu oft gesehen und mittlerweile definitiv satt. Also, meine Liebe, tu uns beide einen Gefallen und bleib bei deinen Freunden, zu denen ich nicht gehören will.“ Deine eiskalte Tonlage ließ das meine Liebe wie eine Lüge erscheinen und deine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Trotz blitzte in Mitsumis Augen auf, als sie demonstrativ ihr Haar nach hinten warf und einen schnippischen Laut von sich gab. Sie wollte etwas sagen, doch ich hatte genug davon, dass sie über mich sprachen, als wäre ich nicht anwesend und dich anzischte: „Halt dich da raus. Ich brauche niemanden, der mich verteidigt. Ich komme ganz gut alleine klar. Also hör, auf mich wie ein Opfer zu behandeln!“ Meine Stimme war scharf und jedes Wort schnitt dir tief ins Fleisch. Ich konnte sehen, wie der Schmerz in deinen Augen aufblühte, doch ich nahm sie nicht zurück. Du solltest endlich deine Grenzen wissen und dich auch daran halten. Außerdem war ich noch nicht fertig, denn ich wandte mich an die überraschte Mitsumi, um diesen kurzen Moment des Mutes vollständig ausnutzen zu können. „Dasselbe gilt auch für dich. Ich bin nicht auf den Mund gefallen nur weil ich sehr schweigsam bin. Bis jetzt konnte ich immer noch ganz gut alleine für mich sprechen! Davon mal abgesehen bist du nicht meine Sekretärin und hast keinen Plan von den Dingen, die ich tue oder eben nicht. Also, hör auf so zu tun als wüsstest du alles über mich.“ Ich knurrte beide an und sah euch abwechselnd an, bevor ich dann auch auf euch mit meinen Fingern deutete: „Denn ihr zwei wisst nichts über mich. Gar nichts.“ Ich stopfte noch mein Stiftemäppchen in meine Tasche, bevor ich sie um meine Schultern legte und dann das Zimmer verließ. Es war mir egal, was ihr zwei von mir dachtet. Ihr solltet endlich begreifen, dass ich euch nicht in meinem Leben haben wollte. Weder dich noch sie. War das denn so schwer zu begreifen? Ich wollte nur meine Ruhe. Mehr nicht. Einfach nur meine verdammte Ruhe...   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)